Lange war die Kirche der Ort, um sich auszutauschen, für Zusammenhalt, Gemeinschaft. Doch heute treffen wir uns lieber in Cafés, Bars, Sportvereinen oder gar online. Am Mittwoch wurden die aktuellen Kirchenaustritte veröffentlicht und das sind richtig krasse Zahlen. Alle 35 Sekunden tritt jemand aus der Kirche aus. Die deutsche Bischofskonferenz teilte gestern mit, dass mehr als eine halbe Million Menschen 2022 die katholische Kirche verlassen haben; Die evangelische Kirche schrumpfte im gleichen Zeitraum um 380.000 Gläubige. Damit hat die katholische Kirche in Deutschland inzwischen weniger Mitglieder (20,9 Millionen) als der ADAC (21,42 Millionen). Hauptsächlich sind die Missbrauchsskandele Schuld an den Austritten – aber auch die Zeit: Denn wer heute spirituell ist, kniet häufig lieber auf der Yogamatte als auf der Kirchenbank. Und trotz findet Christian Turrey aus unserer Kirchenredaktion, dass sie wichtig ist für unsere Gesellschaft:
Christian Turrey: „Beide Kirchen, katholisch wie evangelisch, sind immer noch ganz wichtige soziale Player bei uns, nicht nur bei Kitas, Schulen, Altenheimen, Krankenhäusern, Sozialstationen, sondern auch bei den vielen Ehrenamtlichen, die sich kirchlich engagieren und eine Menge organisieren und anbieten, vom Kinderchor über die Jugendarbeit bis zum Engagement für Flüchtlinge oder Obdachlose. Und die Kirche hat mit der Botschaft von Jesus ein Sinnangebot, das andere Vereine nicht haben.“
Und was tut die Kirche gegen die Austrittswelle?
Christian Turrey: „Sie nimmt sie „mit Schmerzen“ zur Kenntnis, hat zumindest der Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, gesagt, und sie möchte dialogischer werden, also nicht nur von der Kanzel herab predigen, sondern hinhören und die Menschen mehr beteiligen. Die Kirche will auch solidarischer werden mit eigenen Profilstellen in der Seelsorge wie z.B. Glaubenskommunikation für junge Erwachsene, Burnout-Hilfe, Trauerbegleitung. Und dann möchte man mehr „bedarfsgerechte Einzelseelsorge“ leisten, heißt es in einer Pressemitteilung zu den Austrittszahlen, und man möchte ein Miteinander, bei dem über den persönlichen Glauben offen und ohne Bevormundung gesprochen werden kann.“